Ungewollt kinderlos:
Das sollten Angehörige, Freunde und Kollegen wissen

Ungewollt kinderlos zu sein ist für viele Menschen ein existenzieller Schicksalsschlag, den sie nur schwer verkraften. Angehörige, Freunde und Kollegen stehen manchmal ratlos daneben. Wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen oder was sie tun können, um zu helfen. In diesem Artikel versuche ich ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Erfahre, was Betroffene umtreibt und was ihnen hilft.

Ungewollt kinderlos

1. Trigger sind überall

In den sozialen Medien, Filmen, Werbung und Gesprächen mit Freunden – überall scheint es normal und selbstverständlich zu sein, Kinder zu haben. Stell dir vor wie einsam es sich anfühlen kann, wenn man in dieser Umgebung keine Kinder hat, aber gerne welche hätte.

 

Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch werden täglich mit ihrer Kinderlosigkeit konfroniert. Sie müssen lernen, damit umzugehen. Wenn du ihre Verletzlichkeit respektieren möchtest, sei dir bewusst, dass Dinge, die für dich selbstverständlich erscheinen – wie etwa von der Geburtstagsparty deiner Tochter zu berichten – für andere tief schmerzhaft sein können.

 

Diese Sensibilität gilt nicht nur für jene, von denen du weißt, dass sie ungewollt kinderlos sind. Auch Menschen, die darüber nicht offen sprechen, könnten betroffen sein. Es geht nicht darum, nichts mehr aus dem Familienleben zu teilen, sondern vielmehr um einen achtsameren Umgang miteinander.

2. Scham und Sprachlosigkeit

Oft empfinden Menschen, die ungewollt kinderlos sind, Scham darüber, etwas nicht zu schaffen, was anderen leicht fällt. Im sozialen Umfeld machen sie die Erfahrung, dass ihr Kummer um die Kinderlosigkeit nicht gesehen oder anerkannt wird.

 

Beides führt dazu, dass Sie ihren Kummer für sich behalten, aus Furcht, verurteilt oder nicht ernst genommen zu werden. Aufmunterungsversuche wie: „Ihr habt doch ein tolles Leben. Macht es euch einfach zu Zweit schön.“ sind bestimmt gut gemeint aber legen den Finger in die offene Wunde.

3. Keine Kinder zu haben kann genauso stark verändern, wie Kinder zu haben

Ungewollt kinderlose Menschen leben nicht mehr das Leben, wie es Eltern vor der Geburt ihrer Kinder kannten. Der unerfüllte Kinderwunsch verändert sie, wie das Elternwerden die Menschen verändert.

 

Die Freiheit, nach der sich Mütter und Väter manchmal sehnen, können Kinderlose als schwere Bürde empfinden. Ein Kommentar wie, „Du hast es gut. Du brauchst nicht in den Schulferien in den Urlaub zu fahren.“ ist für Betroffene schwer zu verdauen. Wenn die Kinderlosigkeit emotional verarbeitet ist, können Freiheiten wieder geschätzt werden. Bis dahin ist das schwer.

4. Kinderlose leben mit Vorurteilen

Viele denken über kinderlose Menschen eher kritisch: Sie ist eine Karrierefrau. Selbst Schuld, wenn sie so spät mit der Familien-Planung beginnt. So ein egoistisches Paar. Meine Kinder zahlen deren Rente. Die mögen anscheinend keine Kinder, usw.

 

Gut wäre, wenn du die Möglichkeit mitdenkst, dass jemand ungewollt kinderlos ist. Vielleicht hat die Person schon einige erfolglose Kinderwunsch-Behandlungen hinter sich oder Kinder durch Fehlgeburten verloren. Vielleicht hat sie den passenden Partner nicht gefunden oder ein Partner will keine Kinder.

 

Selbst, wenn sich jemand bewusst gegen Kinder entscheidet, ist das seine bzw. ihre Sache.

5. Die Wehmut bleibt

Die Wehmut über die ungewollte Kinderlosigkeit verändert sich im Laufe der Zeit, bleibt aber für viele Betroffene ein Leben lang bestehen. Sie kann in verschiedenen Lebensphasen und zu unterschiedlichen Zeiten des Jahres besonders spürbar sein.

 

Wenn Geschwister, Freunde oder Kollegen Kinder bekommen oder später Enkel haben, kann das weh tun. Anlässe wie Weihnachten und Familienfeiern sind schmerzhaft. Jedes Event kann daran erinnern, dass etwas fehlt.

 

Es ist an den Betroffenen selbst, sich zu schützen und sich nicht zu überfordern. Fühle dich deshalb nicht zurückgewiesen, wenn eine ungewollt kinderlose Freundin kurzfristig die Teilnahme an deiner Gartenparty absagt. Vielleicht fühlt sie sich gerade nicht stark genug, jungen Eltern und Kindern zu begegnen. Wenn ihr darüber sprecht, beugt ihr Missverständnissen vor und stärkt sogar eure Freundschaft.

6. Halte deine eigene Hilflosigkeit aus

Es kann sehr weh tun, mitanzusehen, wenn sich bei der Tochter oder Freunden der Wunsch nach Kindern nicht erfüllt. Angehörige möchten verständlicherweise helfen und suchen deshalb Lösungen. Die eigene Hilflosigkeit auszuhalten, ist schwer. Doch man kann den Schmerz nicht nehmen, so sehr man es auch möchte.

 

Es hilft nicht zu sagen: „Es ist noch Zeit“ oder „Beim nächsten Versuch klappt es bestimmt.“ Oder zu fragen, ob sie über Adoption oder Pflegekinder nachgedacht haben. Du wirst ihnen nichts vorschlagen können, woran sie nicht schon selbst gedacht haben.

 

Aber man kann da sein. Zuhören. Einfach nur präsent sein – und das ist oft schon sehr viel.

 

Hier ein paar Worte und Gesten, die helfen können:

 

  • „Es ist schlimm, was dir passiert (ist). Zeige Mitgefühl, ohne zu bagatellisieren.
  • „Du bist nicht allein.“ Lass die betroffene Person spüren, dass sie gesehen wird, ohne sie zu bedrängen.
  • „Wie kann ich dich unterstützen?“ Frage nach, was wirklich gebraucht wird, statt eigene Lösungen vorzuschlagen. Und meine es ernst mit der Unterstützung.
  • Auch Care-Pakete, Essen, das an der Tür steht, Umarmungen, liebe Nachrichten, dass man an sie denkt, können helfen.

7. Heilung braucht Zeit und Trauer

„Mir kam gar nicht in den Sinn, dass ich um ein Kind trauere, das es nur in meiner Vorstellung gab.“ Das gestand eine erschöpfte Klientin. Nach mehreren erfolglosen Kinderwunsch Behandlungen lebte sie einfach ihren Alltag weiter. Ihre Niedergeschlagenheit brachte sie anfangs gar nicht mit dem Kinderwunsch in Verbindung.

 

Es ist nicht nur in Ordnung, in dieser Situation zu trauern. Es ist wichtig, um seelisch gesund zu bleiben. Versuche nicht, die Trauer von jemandem, der ungewollt kinderlos ist, kleinzureden.

 

Die Trauer nahestehender Menschen auszuhalten, ist nicht leicht. Es ist bereits eine große Hilfe, wenn du wirklich DA bist. Zuhörst, ohne zu bewerten. Den Schmerz mitträgst, ohne ihn zu lösen.

 

In der Rolle des Helfenden besteht die Gefahr, sich selbst zu verlieren. Doch nur wenn man auch für sich sorgt, eigene Ressourcen pflegt, kann man langfristig für den anderen da sein.

 

Wenn du merkst, dass ein nahestehender Mensch in eine ernste Krise gerät, ermutige ihn, professionelle Hilfe anzunehmen. Mit erfahrenen Unterstützern wie Psychotherapeuten und spezialisierten Coaches ist es deutlich leichter, einen unerfüllten Kinderwunsch zu verkraften und neue Zuversicht zu gewinnen.

Die Autorin

Claudia Moser ist Systemische Coach und ausgebildete PEP®-Anwenderin. Sie hilft Menschen mit Kinderwunsch dabei, Stress abzubauen und zuversichtlich und selbstbestimmt den eigenen Weg zu finden. Claudia kennt die Herausforderungen eines unerfüllten Kinderwunsches aus dem eigenen Leben. Sie lebt mit ihrem Mann in Karlsruhe, liebt Trekkingtouren im Himalaya und spontane Kochabende mit Freunden.

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