“Entspann dich, dann klappt das schon!” ist der ewige Rat an Frauen mit Kinderwunsch. Du kannst es schon nicht mehr hören. Der Kommentar ist dabei so unnütz wie sinnlos. Einerseits kann niemand auf Knopfdruck entspannen. Andererseits wurde wissenschaftlich kein direkter Zusammenhang zwischen ausbleibender Schwangerschaft und Stress nachgewiesen. Warum du bei Kinderwunsch dennoch für emotionale Entlastung sorgen solltest und wie das gelingt, das erfährst du in diesem Artikel.
Auch wenn Stress nicht direkt unfruchtbar macht, führt er wiederum zu einem Verhalten, das sich negativ auf die Fruchtbarkeit und auf die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft auswirken kann. Zum Beispiel:
Wenn sich ein Kinderwunsch über viele Monate oder sogar Jahre nicht erfüllt, kann sich ein starker innerer Druck aufbauen. Einerseits wartet man immer dringender darauf, endlich schwanger zu werden. Andererseits erschöpft das wiederkehrende Enttäuscht werden. Die Folge ist richtig viel Stress. Aber: Dauerhafter Stress erhöht das Risiko einer Depression erheblich!
Doch wie soll man entspannen, wenn der eigene Lebenstraum auf dem Spiel steht? Ich spreche oft mit Menschen, die sich Kinder wünschen. Es zeigt sich, dass es insbesondere unsere eigenen Vorstellungen und Erwartungen sind, die in uns Stress auslösen. Genau dort können wir ansetzen. Schau dir die folgenden 3 Regeln an. Wenn du ihnen Beachtung schenkst, ist bereits enorm viel gewonnen.
Eine Klientin mit Kinderwunsch erzählte ganz aufgebracht von einem Traum: “Da sitzt eine Richterin an einem Pult. Ganz strenger Blick. Mit ihrem Hammer klopft sie auf den Tisch und ruft donnernd:” “Schuldig!” “Die Angeklagte war ich”, sagte die Klientin.
Sie wirft sich vor, zu spät an Familie gedacht zu haben. Jetzt, mit Ende 30 klappt es nicht mit dem schwanger werden. Sie macht sich große Vorwürfe. Welcher Mensch mit unerfülltem Kinderwunsch kennt ihn nicht – den Gedanken, selbst Schuld zu haben:
Die Sache ist die – wenn wir uns Vorwürfe machen, wollen wir uns mit diesen Gedanken selbst bestrafen (meist unbewusst). Im Grunde ist es nur logisch, dass wir uns dann gestresst fühlen. Das ist ja das Ziel einer Bestrafung. Dabei hat jede Frau irgendwann einmal etwas getan, was die Fruchtbarkeit rein theoretisch beeinträchtigen könnte. Das ist normal und menschlich. Niemand ist perfekt.
“Werde ich nicht schwanger, weil ich zu viel geraucht haben?” “Habe ich mich zu spät um die Familienplanung gekümmert?” Beim Grübeln stellen wir uns Fragen, die sich gar nicht beantworten lassen. Anstatt Auswege aufzuzeigen, ziehen sie runter. Deshalb brauchen wir uns gar nicht erst darauf einzulassen.
Die beste Medizin gegen negative Gedanken ist, körperlich aktiv zu werden: Aus dem Zimmer gehen, Fenster putzen, Radfahren, Gartenarbeit. Ganz egal, was du tust. Körperliche Aktivität hilft dem Geist, sich wieder zu beruhigen.
“Wir brauchen uns von unseren Gedanken nicht alles gefallen zu lassen”, sagt die Psychotherapeutin Gabriela von Witzleben bezeichnend.
Manche Selbstvorwürfe haften richtig fest. Ich habe mir zum Beispiel lange vorgeworfen, dass mein Körper nicht “funktioniert”. Bei starken Vorwürfen braucht es manchmal etwas Unterstützung. Hier helfen wirkungsvolle Methoden wie PEP® (Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie) nach dem Psychologen Dr. Michael Bohne.
Mit PEP® können Selbstvorwürfe strukturiert verarbeitet werden, bis sie sich lösen. Ich wende diese Methode seit vielen Jahren erfolgreich an.
Bei unerfülltem Kinderwunsch sollten wir keine Schuldgefühle aufkommen lassen. Dennoch stehen wir in der Verantwortung – und zwar für uns selbst. Und das ist gar nicht so einfach, denn
umso unfähiger und ohnmächtiger fühlt man sich häufig selbst. Wir haben nicht die Kontrolle darüber, dass sich der Kinderwunsch erfüllt. Wir können aber jederzeit selbst entscheiden, was wir denken, tun und fühlen. Regel 2 und 3 enthalten Tipps, die dir helfen, die Zügel in der Hand zu behalten.
“Ich hatte schon immer den Traum, Mama zu werden. Die Jahre in der Schule, das Studium, der Job, der Hausbau – das habe ich alles als Wartezeit vor dem eigentlichen Ziel, eine Familie zu gründen, empfunden.” Das erzählte eine Klientin, die mit ihrem Partner seit 3 Jahren versuchte, schwanger zu werden.
Eine andere Frau sagte: “Zuerst war ich entspannt. Aber je länger wir darauf gewartet haben, umso unruhiger wurde ich. Wir gingen zu Ärzten. Ich unterzog mich künstlichen Befruchtungen. Mit der Zeit dachte ich nur noch: Ich muss es schaffen! Ich war wie in einem Tunnel.”
Mir selbst erging es ähnlich wie der zweiten Frau im Beispiel. Sehr angestrengt habe ich versucht, meinen Kinderwunsch zu erfüllen. Irgendwann konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass es eine andere attraktive Perspektive für mein Leben geben könnte. Ich traute mir selbst nicht mehr. Zeigte sich doch, dass ich nicht hinkriege, was andere Frauen anscheinend problemlos schaffen.
Erst viel später wurde mir klar, dass ich einem großen Missverständnis aufgesessen war. Kinderkriegen hat nichts mit Leistung zu tun.
Wir können die Chancen ein wenig verbessern, indem wir uns um uns kümmern und vielleicht medizinische Hilfe annehmen. Doch am Ende haben wir es nicht selbst in der Hand, ob wir ein Kind bekommen. Die Natur spricht ein gehöriges Wort mit.
Viel Stress und Kummer bei Kinderwunsch kann man sich ersparen, indem man sich schon von Beginn an einen attraktiven Plan B überlegt. Mit einer guten Alternative in der Hinterhand fühlen wir uns längst nicht so gezwungen, ein bestimmtes Ziel erreichen zu müssen.
Wenn wir uns ein Kind wünschen, können wir nicht wissen, ob wir in einem Monat, in einem Jahr oder nie schwanger werden. Deshalb lohnt es sich, wenn du dir und ihr euch als Paar gleich zu Anfang mit Fragen beschäftigt, die euch einen Rahmen geben:
Ich empfehle, zuerst die Fragen für sich selbst zu beantworten. Anschließend gleicht ihr eure Vorstellungen als Paar miteinander ab. Das ist denkbar unromantisch. Dafür gibt euch die frühzeitige Klärung während der anschließenden Wartezeit eine Struktur vor, an der ihr euch orientieren und festhalten könnt.
Mit den beiden Frauen im Beispiel ging es so weiter:
Die Klientin, die schon immer Mutter werden wollte, hat sich entschlossen, ein Pflegekind aufzunehmen. Die andere Frau legte nach einer künstlichen Befruchtung eine Erholungspause ein. In dieser Zeit reaktivierte sie ihre sportlichen Hobbys und gewann Gefallen an der Freiheit, die ihr das kinderlose Leben ermöglicht. Vor der letzten geplanten Kinderwunschbehandlung sagt sie: “Diesmal empfinde ich wesentlich weniger Stress. Alles wird gut. Es kommt wie es kommt.”
Hast du schon einmal von einer erfolgreichen Businessfrau gehört, die alle Probleme selbst löst? Oder von einer Athletin, die am Tag nach einem Marathon gleich einen zweiten läuft?
Im Vergleich dazu haben Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch oft die Vorstellung, dass sie alles allein schaffen müssen und für Erholung keine Zeit ist. Das ist verständlich, wenn man den hohen sozialen und biologischen Druck bedenkt, der auf ihnen lastet.
Ungewollte Kinderlosigkeit ist immer noch tabuisiert – und über Tabus sprechen die meisten Menschen nicht. Als Betroffene glauben wir dann, dass nur wir dieses Problem haben. Schämen uns, fürchten zu versagen und von anderen verurteilt zu werden. Dabei belastet so viele Menschen ein unerfüllter Kinderwunsch.
Was wäre wohl los, wenn andere einmal sehen und spüren könnten, wie es dir geht? Die Achterbahnfahrt der Gefühle aus Warten, hoffen, enttäuscht werden, wütend sein, traurig sein, Angst haben, gestresst sein. Das alles würden sie am eigenen Leib erfahren. Wer von deinen Freunden, Verwandten oder Kollegen würde das lange aushalten?
Wenn du nur eine Sache aus diesem Text mitnimmst, dann hoffe ich, dass du dir jemanden suchst, dem du dich regelmäßig anvertrauen kannst.
Klasse, wenn du und dein Partner oder deine Partnerin einander Halt gebt. Zur Entlastung eurer Beziehung empfehle ich, noch mindestens eine weitere unterstützende Person mit ins Boot zu nehmen.
Manchmal gibt es geeignete Personen im Freundes- und Verwandtenkreis. Darüber hinaus helfen Kinderwunschvereine, Selbsthilfegruppen, Social Media Gruppen, Frauengesundheitszentren und andere Organisationen. Und es gibt Therapeutinnen und Coaches wie mich, die auf die emotionale Unterstützung bei Kinderwunsch spezialisiert sind.
Claudia Moser ist zertifizierte systemische Coach. Sie begleitet Frauen und Paare mit unerfülltem Kinderwunsch und zeigt ihnen, wie sie aus ihrem Kinderwunsch eine Erfolgsgeschichte für sich machen – mit Kind oder ohne Kind. Claudia ist ungewollt kinderlos und lebt mir ihrem Mann in Reutlingen, liebt Trekkingtouren im Himalaya und spontane Kochabende mit Freunden.