Ungewollte Kinderlosigkeit verarbeiten: So gelingt es dir
Wer ungewollt kinderlos bleibt, kennt das tiefe Verlangen, alles hinter sich zu lassen, zu vergessen und nicht weiter darüber nachzudenken – in der Hoffnung, dass sich innerer Frieden einstellt. Doch so einfach ist es nicht. Es bedarf der bewussten Verarbeitung, um mit dem eigenen Schicksal ins Reine zu kommen und Raum für die Zukunft zu schaffen. Hier teile ich, was ich gelernt habe, als ich meine ungewollte Kinderlosigkeit verarbeitet habe.
![Claudia Moser ungewollte Kinderlosigkeit verarbeiten](https://coachingkinderwunsch.de/wp-content/uploads/2023/01/claudia-moser-blickt-direkt.jpg)
1. Gib deinen Emotionen Raum
Eine Fehlgeburt in der 10. Woche setzte den schmerzhaften Schlusspunkt hinter körperlich und psychisch anstrengende Jahre der künstlichen Befruchtung. Zuerst war ich fassungslos und enttäuscht. Dann stürzte ich mich in meine Arbeit. Das lenkte mich ab.
Von Monat zu Monat schwand jedoch mein gewohnter Elan. Das Leben wurde mir recht gleichgültig. Wofür sollte ich mich anstrengen? So kannte ich micht nicht. Schließlich stellte ich mich meinem Kummer und suchte erfahrene Unterstützer.
Das habe ich gelernt:
- Trauer, Wut, Angst, Scham brauchen Raum, damit wir sie verarbeiten und loslassen können. Wenn du befürchtest, von deinen Emotionen überflutet zu werden, dann hole dir Unterstützung.
- Du kannst deinen Emotionen ganz bewusst täglich einen bestimmten Zeitraum reservieren. Beispielsweise abends eine halbe Stunde, wenn es ruhiger ist. Mache in dieser Zeit, wonach es dir gerade ist – ohne dich dafür zu verurteilen. Schreiben, Musikhören, eine Kerze anzünden, Filme schauen, auf dem Sofa liegen und in die Luft starren. Klingt komisch? Versuche es. Bald werden dich deine Emotionen nicht mehr aus heiterem Himmel überfallen.
- Lass dich nicht davon irritieren, wenn andere dich nicht verstehen. Menschen, die Kinder haben oder bewusst keine Kinder haben, können nicht wissen, wie du dich fühlst. Lesetipp für Helfende: Ungewollt kinderlos: Das sollten Angehörige, Freunde und Kollegen wissen
2. Hole dir Unterstützung
Mein Selbstbewusstsein litt stark in dieser Zeit. Immer wieder hatte ich ja erlebt, dass auch meine größten Anstrengungen nicht zum gewünschten Ziel führten.
Die Gedanken drehten sich im Kreis. „Wie soll ich mit Selbstvorwürfen und Zweifeln optimistisch in die Zukunft blicken? Wo ist MEIN Platz in einer Gesellschaft, in der eigene Kinder ganz natürlich dazu gehören? Wie halte ich es aus, wenn Freundinnen ihre Schwangerschaft verkünden? Habe ich mir mit der Kinderwunschbehandlung geschadet? Was antworte ich auf Kommentare wie: „Na, wann ist es bei euch soweit?“
Schließlich überwand ich meine Skrupel und nahm eine Beratung in Anspruch. Zuerst suchte ich therapeutische Unterstützung. Sie half, den größten Schmerz zu verarbeiten. Später lernte ich mit einer Coach das Leben wieder zuversichtlich anzupacken. Ich konnte wieder vorwärts denken und eine neue Perspektive für mich entwickeln.
Das habe ich gelernt:
- Bleib nicht alleine in dieser schwierigen Situation und suche dir Unterstützung. Aus einer nicht verarbeiteten ungewollten Kinderlosigkeit kann sich eine Depression entwickeln.
- Ich hatte mich für professionelle Begleitung durch eine Psycho-Therapeutin und eine Coach entschieden. Oft sprach ich mit meinem Mann. Auch verständnisvolle Freunde und Angehörige können hilfreiche Begleiter sein.
- Auf Social Media gibt es geschlossene Gruppen für Frauen und Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Dort kannst du dich mit anderen Betroffenen austauschen. Vorsicht ist angebracht wenn negative Beiträge überhand nehmen. Sie halten eher im Kummer fest, als zu ermutigen.
3. Sei geduldig mit dir
Als mir dämmerte, dass mein Kinderwunsch sehr wahrscheinlich unerfüllt bleiben wird, machte sich Erschöpfung in mir breit. Plötzlich spürte ich die Anstrengung der vielen Jahre, in denen ich alles versucht hatte, um ein Kind zu bekommen. Doch ich wollte nicht wahrhaben, dass ich Erholung brauche. Hatte ich überhaupt das Recht, mich auszuruhen? In meinen Augen war ich ja gescheitert.
Ein Freund sagte: „Wenn man sich über eine lange Zeit seelisch und körperlich verausgabt, braucht es eben auch eine lange Zeit, um sich zu regenerieren. Egal, ob ein Ziel erreicht wurde oder nicht.“
Es dauerte eine Weile, bis ich bereit war, Mitgefühl mit mir selbst zu haben und Verantwortung für meine seelische und körperliche Regeneration zu übernehmen. Rückblickend war dies ein wesentlicher Schlüssel, um mit dem Schicksal Frieden zu schließen.
Das habe ich gelernt:
- Nach einem Marathon braucht es eine Phase der Erholung. Das ist uns allen klar. Selbst wenn wir den Marathon nicht ganz bis zu Ende laufen konnten. Ungewollt kinderlos zu bleiben ist wesentlich anstrengender als ein Marathon.
- Nimm dir regelmäßig Zeit für Erholung. Bewegung in der Natur, Massagen, Mediation, Chigong, reden, malen, kochen,…finde heraus, was dir gut tut.
- Wichtig: Bleib geduldig mit dir und mach weder dir selbst noch anderen Vorwürfe. Vorwürfe verbessern nichts!
4. Nimm Abschied
Von Jahr zu Jahr versöhnte ich mich mehr mit meinem Schicksal. Ich gewöhnte mich daran, ein Leben ohne Kinder zu leben.
Eines Tages überfiel mich ohne Vorwarnung plötzlich wieder die Trauer. Ich wartete nicht lange und sprach mit einer Therapeutin. „Haben Sie damals von den ungeborenen Kindern Abschied genommen?“ fragte sie. Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht. Jetzt dämmerte mir was fehlte. Eine Verabschiedung von den Kindern, die ich durch Fehlgeburten verloren hatte. Aber auch von denen, die es nur in meiner Vorstellung gab.
In einem Brief nahm ich Abschied von ihnen. Mit meinem Mann suchte ich einen schönen Platz in der Natur. Wir verbrannten den Brief und ich ließ sie gehen. Danach war mir sehr viel leichter ums Herz.
Das habe ich gelernt:
- Nicht ohne guten Grund pflegen wir das Ritual der Trauerfeier, wenn ein Mensch verstirbt. Ein feierlicher Abschluss hilft beim Abschiednehmen und Verarbeiten.
- Ein unerfüllter Kinderwunsch kann sich anfühlen wie der Verlust eines geliebten Menschen. In der Vorstellung haben die Kinder ja bereits existiert. Es ist heilsam, das zu würdigen und hilft maßgeblich dabei, ungewollte Kinderlosigkeit zu verarbeiten.
- Wenn du ein Abschiedsritual planst, vertraue deiner Phantasie. Lass die andern reden. Sie sind nicht in der Lage, es zu fühlen.
5. Sorge für leichte Momente
Es war mein Mann, der in dieser Zeit maßgeblich für die leichten Momente sorgte. Ihn traf die ungewollte Kinderlosigkeit auch aber nicht im gleichen Ausmaß.
Trotz meiner bedrückten Stimmung unternahmen wir regelmäßig etwas, trafen Freunde, gingen in Konzerte, wanderten und feierten Feste. Die Aktivitäten ermöglichten mir, neue Eindrücke zu sammeln und aufzutanken. Nach und nach fühlte ich mich wieder lebendiger.
Das habe ich gelernt:
- Auch wenn sich leichte Momente anfangs nicht „leicht“ anfühlen mögen, tun sie der Seele gut.
- Mit der Zeit merkst du, dass du dich wieder lebendig fühlst.
- Ich bin frei zu entscheiden, was ich denke und tue.
Die Autorin
Claudia Moser ist Systemische Coach und PEP® Practitioner. Sie hilft Menschen mit Kinderwunsch dabei, Stress abzubauen und zuversichtlich und selbstbestimmt den eigenen Weg zu finden. Claudia kennt die Herausforderungen eines unerfüllten Kinderwunsches aus dem eigenen Leben. Sie lebt mit ihrem Mann in Karlsruhe, liebt es, Trekkingtouren im Himalaya zu machen und spontane Kochabende mit Freunden zu verbringen.
![kinderlosgluecklich_claudia-moser_v3](https://coachingkinderwunsch.de/wp-content/uploads/2021/10/kinderlosgluecklich_claudia-moser_v3.jpg)