Weihnachten: Die Zeit der Glitzerlichter und überfüllten Einkaufsstraßen. Es liegt Vorfreude in der Luft. Doch für viele Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch ist Weihnachten eine besondere Herausforderung. In diesem Artikel teile ich meine Erfahrungen und zeige dir, wie du Weihnachten mit unerfülltem Kinderwunsch meistern kannst.
Jedes Jahr, spätestens im September, werden die Supermarktregale mit Lebkuchen bestückt. Nicht die Lebkuchen bereiten Magenschmerzen, sondern das Ereignis, das sie ankündigen: Weihnachten.
Wieder neigt sich ein Jahr dem Ende zu. Wieder bin ich nicht schwanger geworden. Dafür ein Jahr älter. Und überall in den Medien diese Bilder von Familienglück. Das, was mir – was uns – fehlt, diese Lücke im Leben, wird an Weihnachten besonders schmerzhaft sichtbar. Wieder kommt ein Kind auf die Welt, das nicht meins ist. Christen feiern an Weihnachten die Geburt Jesu. Bin ich sogar neidisch auf Maria? Das waren meine Gedanken damals, als ich mir ein Kind wünschte.
Mein Tipp: Social Media ist in der Adventszeit voll von Familienfotos und glücklichen Kindern. Überlege gut, ob du dich dem wirklich aussetzen möchtest. Eine bewusste Instagram-Pause kann helfen, bei unerfülltem Kinderwunsch gelassener durch die Weihnachtszeit zu kommen. Weitere Tipps findest du hier: Weniger Stress bei Kinderwunsch: Das kannst du tun
Ich hatte das große Glück, dass meine Eltern uns Kindern jedes Jahr ein tolles Weihnachtsfest bereitet haben: mit Christbaum, Plätzchen, Liedern und Bergen von Geschenkpapier. Der neue Schlafanzug lag gewaschen bereit und konnte gleich angezogen werden.
Als mein Kinderwunsch unerfüllt blieb, änderte sich mein Blick auf Weihnachten. Ich war hin- und hergerissen. Einerseits mochte ich den Zauber des Festes, andererseits machte mich genau dieser Zauber traurig – manchmal sogar wütend. Ich wollte nicht daneben sitzen und mich zusammenreißen, wenn Familie gefeiert wurde.
Manchmal ergriffen mein Mann und ich deshalb die Flucht, um Weihnachten mit unerfülltem Kinderwunsch zu meistern. Auf einem Campingplatz in Südafrika verging das Fest recht unspektakulär. Bei 30 Grad im Schatten kam wenig festliche Stimmung auf – aber der Ortswechsel half uns, besser mit der schwierigen Situation umzugehen.
Eine Zeit lang passte dieser Ausweg für mich.
Mein Tipp: Wenn du oder ihr den Drang habt, Weihnachten nicht wie üblich im Kreis der Verwandtschaft zu verbringen, nehmt es euch raus, einfach wegzufahren. Es gibt keinen „richtigen“ Weg, Weihnachten zu begehen – auch wenn manche Verwandte das vielleicht anders sehen.
Dauerhaft war die Flucht für mich keine Lösung. Ich vermisste diesen Zauber im Jahresablauf, wenn wir die Feiertage in Südafrika, Thailand oder Japan verbrachten.
Einmal flogen mein Mann und ich mit Freunden nach Nepal, um zum Base Camp des Mount Everest zu wandern. Heiligabend war der erste Tag der Trekkingtour, hoch oben im Himalaya. Erschöpft kamen wir in der Berghütte an, kalt und ungemütlich. Als wir uns zum Abendessen einfanden, blickten wir etwas bedrückt auf unsere Teller mit einfachem Linsendal. In Gedanken sahen wir die warmen Wohnzimmer unserer Familien – und das gute Essen, das es dort geben würde. Was hatten wir uns da nur eingebrockt?
Plötzlich fielen uns die Plätzchen ein. Die Schwester meines Mannes hatte uns kurz vor Abflug eine Tüte mit selbstgebackenen Plätzchen mitgegeben. Endlich kam wieder Leben in unsere Runde. Wir freuten uns riesig über dieses kleine Stückchen Heimat. Mit Genuss aßen wir die Plätzchen und erzählten uns Geschichten von Weihnachten.
Ich hätte in diesem Moment nirgendwo anders sein wollen.
Mein Tipp: Wenn du wie ich den Zauber von Weihnachten spürst, dann sorge dafür, dass er dir erhalten bleibt – auf deine Art. Wenn du dich nicht wohlfühlst, mit Kind und Kegel zu feiern, können Freunde mehr als ein Ersatz sein. Die Gemeinschaft mit Freunden kann wie Familie sein – manchmal sogar entspannter.
Meine Eltern wurden älter und es war mir wichtig, zumindest den 24.12. mit ihnen zu verbringen. Traditionell gab es Hühnerfrikassee mit Pastete – ich mochte das, aber ich wollte auch Abwechslung. So entstand eine neue Tradition.
Seit einigen Jahren widmen wir den Heiligabend kulinarisch immer einem anderen Land. Das Land wird ausgelost – ebenso die Beiträge: Vorspeise, Hauptgang, Nachtisch, Getränke, Deko. Jeder übernimmt etwas. Das bedeutet zwar mehr Recherche und Vorbereitung, aber es lenkt wunderbar ab von trüben Gedanken.
So waren wir an Heiligabend schon in Island, Japan, Norwegen, Griechenland, Mexiko … Das Highlight ist oft die Deko. Einmal wurde eine griechische Insel mit Vogelsand auf dem Esstisch nachgebaut. Dieses Jahr feiern wir „in“ Argentinien. Mein Mann hat schon Landesfähnchen und den Wimpel eines Fußballclubs besorgt.
Es macht Spaß, wenn alle mithelfen, ein Fest zu gestalten. Dann spielt es keine Rolle, ob jemand Kinder hat oder nicht, verheiratet ist oder Single, alt oder jung. Wir sind dann einfach nur wir.
Mein Tipp: Unerfüllter Kinderwunsch verändert den Blick auf vieles – auch auf Weihnachten. Vielleicht ist jetzt der richtige Moment, Gewohntes zu hinterfragen, selbst Gastgeber zu sein oder sich um andere Menschen zu kümmern. Erlaube dir, neue Wege im Umgang mit unerfülltem Kinderwunsch in der Weihnachtszeit zu gehen.
Wenn unser Fokus stark auf Familiengründung liegt, malen wir uns oft ein Idealbild von Familie.
Eigentlich wissen wir es besser, denn wir kommen alle aus Familien. Auch für Familien bedeutet Weihnachten oft Stress. Die Erwartungen sind hoch und unterschwellige Konflikte brechen nicht selten genau dann auf.
Mein Tipp: Wenn du merkst, dass du wieder einem Idealbild hinterherläufst, halte inne. Überlege, ob du wirklich mit deiner Freundin tauschen möchtest, die zwei Kinder hat. Du weißt nicht, welche Last sie trägt, die du nicht siehst.
Erlaube dir, Weihnachten so zu gestalten, wie es für dich gut ist. Vielleicht willst du verreisen, Social Media meiden oder ganz bewusst mit Freunden feiern. Alles darf sein.
Sprich ehrlich mit deiner Familie. Setze klare Grenzen. Du darfst Nein sagen – ohne Schuldgefühle.
Für viele Paare ist ein Ortswechsel eine gute Lösung. Neue Eindrücke helfen, Abstand zu gewinnen – und den inneren Druck rauszunehmen.
Abschließen möchte ich mit den Worten einer Klientin. Nach mehreren Fehlgeburten gab sie auf, auf ein Kind zu hoffen. Sie sagte: „Mein Mann und ich lieben uns. Das ist ein großes Glück. Wir sind uns Familie.“
Auch das ist Familie. Ich wünsche dir, dass du Weihnachten trotz unerfülltem Kinderwunsch gut bewältigst und das Fest auf deine ganz eigene Weise erleben kannst.
Claudia Moser ist Systemische Coach und ausgebildete PEP®- Coach. Sie unterstützt Menschen mit Kinderwunsch dabei, Stress abzubauen und zuversichtlich und selbstbestimmt ihren eigenen Weg zu finden. Claudia kennt die Herausforderungen eines unerfüllten Kinderwunsches aus eigener Erfahrung. Sie lebt mit ihrem Mann in Karlsruhe, liebt Trekkingtouren im Himalaya und spontane Kochabende mit Freunden.