Ungewollte Kinderlosigkeit verarbeiten - fünf Wege zu mehr Leichtigkeit
Von Claudia Moser, Systemische Coach
Ungewollte Kinderlosigkeit kann sich wie ein tief sitzender Schmerz anfühlen. Viele Betroffene wünschen sich, den Kummer einfach hinter sich zu lassen – doch so einfach ist es nicht. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Erst wenn wir uns bewusst mit unseren Gefühlen auseinandersetzen, können wir wieder inneren Frieden und Leichtigkeit finden.
In diesem Artikel teile ich fünf Wege, die mir geholfen haben, ungewollte Kinderlosigkeit zu verarbeiten – mit konkreten Schritten, die du für dich ausprobieren kannst.
1. Gefühlen Raum geben - Trauer, Wut und Angst zulassen
Eine Fehlgeburt in der 10. Woche setzte meinem langen Kinderwunschweg ein abruptes Ende. Nach all den Jahren der Behandlung war ich fassungslos und zutiefst enttäuscht. Ich stürzte mich in die Arbeit, wollte nichts mehr mit dem Kinderwunsch zu tun haben. Jede:r erlebt diese Situation anders: Manche fühlen tiefe Trauer, andere Wut oder Schuldgefühle – alles ist normal.
Mit der Zeit merkte ich jedoch, wie mein gewohnter Elan schwand und das Leben mich gleichgültig werden ließ. Erst als ich mir bewusst erlaubte, meine Gefühle zuzulassen, begann ein kleiner Wandel. Ich holte mir Unterstützung und nahm mir bewusst Zeit, mich mit meiner Trauer auseinanderzusetzen. Mehr über emotionale Belastung findest du im Artikel Stress bei Kinderwunsch – 7 Wege zu mehr Gelassenheit.
Das habe ich gelernt:
- Trauer, Wut, Angst oder Scham brauchen Raum - plane dir täglich oder regelmäßig ein bisschen Zeit dafür ein.
- Ob Schreiben, Musik hören, Kerze anzünden, Spazieren gehen oder einfach nur auf dem Sofa liegen - alles ist erlaubt!
- Lass dich nicht irritieren, wenn andere dich nicht verstehen. Menschen mit Kindern oder ohne Kinderwunsch können deine Gefühle nicht nachempfinden.
2. Unterstützung suchen - du musst diesen Weg nicht allein gehen
Mein Selbstbewusstsein litt stark, nachdem ich immer wieder spürte, dass auch meine größten Anstrengungen nicht zum gewünschten Ziel führten. Die Gedanken kreisten unaufhörlich. Oft kommen noch Erwartungen von Familie, Freund:innen oder Kolleg:innen hinzu, die den Druck verstärken. Es ist normal, dass dich solche Situationen belasten.
Schließlich überwand ich meine Skrupel und nahm professionelle Unterstützung in Anspruch – zunächst therapeutische, später durch ein Coaching. Gespräche mit meinem Mann und vertrauensvollen Freund*innen halfen zusätzlich, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen – so ähnlich, wie ich heute im Coaching mit Menschen arbeite, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden.
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO,2023) erleben viele Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch psychische Belastungen wie Trauer, Angst oder Scham – umso wichtiger ist es, frühzeitig Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Das habe ich gelernt:
- Bleib nicht alleine in dieser schwierigen Situation. Aus nicht verarbeiteter Kinderlosigkeit kann sich eine Depression entwickeln.
- Professionelle Begleitung durch erfahrene Therapeut:innen, Coaches oder Organisationen wie pro familia ist ein wertvoller Schritt.
- Auch verständnisvolle Angehörige und Partner:innen können hilfreiche Begleiter:innen sein.
- Social-Media-Gruppen können unterstützend sein, achte aber darauf, dass negative Beiträge nicht überhandnehmen.
3. Geduld mit dir selbst entwickeln - Selbstmitgefühl statt Druck
Als mir klar wurde, dass mein Kinderwunsch wahrscheinlich unerfüllt bleiben würde, überkam mich Erschöpfung. Ich spürte die Anstrengung der vielen Jahre, in denen ich alles versucht hatte – und wollte nicht wahrhaben, dass ich nun Erholung brauchte.
Ein Freund sagte: „Wer sich über lange Zeit seelisch und körperlich verausgabt, braucht Zeit, um sich zu regenerieren – egal, ob das Ziel erreicht wurde oder nicht.“ Dieses Bild half mir, Mitgefühl mit mir selbst zu entwickeln. Schon kleine Pausen im Alltag – ein Spaziergang, kurze Atemübungen oder eine Tasse Tee in Ruhe – können helfen, wieder Kraft zu tanken.
Das habe ich gelernt:
- Nach einem langen, anstrengenden Weg braucht es Zeit zur Erholung - auch wenn der "Marathon" nicht wie geplant endete.
- Plane regelmäßig Momente der Entspannung ein: Bewegung, Meditation, kreative Tätigkeiten oder einfach mal nichts tun.
- Mach dir keine Vorwürfe - weder dir selbst noch anderen gegenüber. Vorwürfe machen es nur schwerer und verbessern nichts.
4. Abschied nehmen - Rituale helfen beim Verarbeiten
Jahre nach der Fehlgeburt überkam mich plötzlich wieder Trauer. Eine Therapeutin fragte: „Haben Sie damals von den ungeborenen Kindern Abschied genommen?“ Ich hatte daran nicht gedacht.
Ich schrieb einen Brief an die Kinder, die ich verloren hatte – die durch Fehlgeburten und die, die es nur in meiner Vorstellung gab. Zusammen mit meinem Mann verbrannten wir den Brief an einem schönen Platz in der Natur. Danach fühlte sich mein Herz leichter an. Forschungen zeigen, dass persönliche Rituale helfen können, Verluste zu verarbeiten und innere Ruhe zu finden (Universität Zürich, 2020)
Weitere Impulse, um loszulassen und Frieden zu finden, findest du im Artikel Kinderwunsch loslassen: Diese 3 Schritte helfen dir dabei.
Das habe ich gelernt:
- Abschiedsrituale helfen, Gefühle bewusst zu verarbeiten - ähnlich wie bei einer Trauerfeier.
- Ein unerfüllter Kinderwunsch kann sich anfühlen wie der Verlust eines geliebten Menschen. Erkenne das an, auch wenn das Kind nie geboren wurde.
- Vertraue deiner eigenen Vorstellungskraft für Rituale - es geht nicht darum, was andere denken.
5. Leichtigkeit zurückgewinnen - Schritt für Schritt zu neuer Lebensfreude
Mein Mann sorgte in dieser Zeit immer wieder für kleine Momente der Leichtigkeit – gemeinsame Unternehmungen, Treffen mit Freunden, Konzerte, Wanderungen. Anfangs fühlte sich das noch fremd an, doch nach und nach sammelte ich neue Eindrücke und fühlte mich wieder lebendiger.
Es muss nicht immer Großes sein – kleine Rituale wie die erste Tasse Kaffee am Morgen, gemeinsames Kochen, Musik hören oder ein kurzer Spaziergang können schon helfen, wieder Freude und Lebendigkeit zu spüren.
Das habe ich gelernt:
- Auch kleine, leichte Momente tun der Seele gut.
- Schritt für Schritt spürst du wieder Freude, Lebendigkeit und Freiheit in deinen Entscheidungen.
- Irgendwann wird dir klar: Du entscheidest selbst, was dir guttut und wie du dein Leben gestalten willst.
Wenn du das Gefühl hast, jetzt wieder mehr Leichtigkeit in dein Leben bringen zu wollen, begleite ich dich gern ein Stück auf diesem Weg.
Die Autorin
Claudia Moser ist zertifizierte systemische Coach und PEP® Coach (nach Bohne) mit eigener Erfahrung im Umgang mit Fehlgeburten und ungewollter Kinderlosigkeit. Sie begleitet Frauen, Männer und Paare auf ihrem Weg, mit den emotionalen Herausforderungen des unerfüllten Kinderwunsches umzugehen.
Ihr Ansatz verbindet persönliche Erfahrung mit fundierten Coaching-Methoden und psychologischen Werkzeugen. Mehr über Claudia Moser und ihr Coaching Angebot bei Kinderwunsch findest du hier.
Quellen
- Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2023): One in six people globally affected by infertility.
- Universität Zürich, Institut für Psychologie (2020): Trauerforschung – Die Bedeutung von Ritualen.